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Peinlich, peinlicher, National Book Awards

17. Oktober 2011

Es ist schon reichlich beschämend, was die National Book Foundation, Sponsor des National Book Awards, dieser Tage ablieferte.

Am Mittwoch, dem 12.10.2011, unterlief ihnen bei der Verkündung der Nominierungen für einen der renommiertesten Literaturpreise Amerikas ein peinlicher Fehler: In der Kategorie „Young People’s Literature“ wurde zunächst Lauren Myracles Roman „Shine“ als einer der fünf Anwärter auf den Preis verkündet. Nur wenige Stunden später erklärte man, dass die Nominierung ein Versehen, ausgelöst durch eine Fehlkommunikation, gewesen sei, denn eigentlich habe man Franny Billingsleys „Chime“ nominieren wollen. Der Fehler sei zustandegekommen, weil die Nominierungen in diesem Jahr über Telefon von der Jury an die Organisatoren übermittelt wurden.

Man mag sich wundern, wie das passieren kann, denn obwohl man die Titel schon so nuscheln kann, dass Verwechslungsgefahr besteht, die Autorennamen ähneln sich so gar nicht.

Inhaltlich haben beide Titel übrigens auch nichts gemein. Während „Chime“ Fantasy in einem alternativen England zur Jahrhundertwende ist, versucht in „Shine“ ein Mädchen in einer amerikanischen Kleinstadt ein aus Hass begangenes Gewaltverbrechen an einem schwulen Jungen aufzuklären.

Damit könnte die Sache ein peinliches aber schnelles Ende finden, ginge die Geschichte nicht noch weiter, um letztlich, wie Autorin Libby Bray sehr treffend anmerkt, Seifenopernniveau zu erreichen.

Nur wenige Stunden, nachdem man diesen Irrtum aufgeklärt hatte, verkündete man nämlich, man würde beide Bücher für so wertvoll halten, dass man sie auf der Liste lassen und dieses Mal eben 6 statt der üblichen 5 Nominierten haben. Klingt nach einer versöhnlichen Lösung. Aber leider ist die Geschichte auch jetzt noch nicht zu Ende.

Zwei Tage später, Freitag, wurde die Autorin von den Organisatoren gebeten, die Nominierung von sich aus zurückzunehmen, um die Integrität des Preises und der Jury (die aus namhaften Jugendbuchautoren, darunter Ann Brashares, besteht) nicht zu gefährden. Was die Autorin dann auch tat.
(Kann verstehen wer will, warum dieses unwürdige Hin und Her der Integrität des Preises weniger schaden sollte, als die Autorin einfach auf der Liste zu lassen).

Heute entschuldigte man sich dann für das Durcheinander und verkündete, dass man im Namen der Autorin 5000$ an die Matthew Shepard Foundation, die sich gegen Gewalt aus Hass einsetzt, spenden würde. (Zur Erklärung: Matthew Shepard war ein amerikanischer Student, der 1998 von zwei Männern aus Hass auf Homosexuelle misshandelt und getötet wurde. Mehr auf Wiki.)

Die Aufregung und Empörung ist wieder einmal groß im Netz. Es gibt einen eigenen Hashtag auf Twitter, mit dem man seinen Unmut loswerden kann: #IsupportShine. Die Autorin Libba Bray hat sich ihren Zorn in ihrem Blog von der Seele geschrieben. (Ich empfehle ihren Artikel zu lesen. Sie liefert trotz ihres kleinen Wutausbruchs eine schöne Zusammenfassung und einen guten Einblick in das Geschehen, weil sie mit Myracles Agent verheiratet ist und so nahe am Geschehen war).

Merkwürdige Geschichte. Ich wüsste zu gern, was da hinter den Kulissen passiert ist. Kann es wirklich sein, dass man bei einem so wichtigen Buchpreis die Nominierungen nur als Buchtitel ohne weitere Angaben über das Telefon übermittelt? Ich bin gespannt, wann die ersten Verschwörungstheorien auftauchen, weil es pikanterweise einmal mehr ein Roman über einen homosexellen Jugendlichen von einer Autorin, die häufiger von Sittenwächtern angegriffen wird, ist, mit dem so etwas passiert.
Abgesehen von der Demütigung, die das Hin und Her für die Autorin gewesen sein dürfte, wird sie die Gewinnerin in der ganzen Sache sein. So viel ungeplante Werbung für die eigene Person bekommt man selten.
Den Novellenband „Tage wie diese“, der auch einen Beitrag von ihr enthält, habe ich schon lange auf meiner Wunschliste und ihre anderen Bücher werden ebenfalls einer näheren Betrachung unterzogen.
„Chime“ dagegen flog schon vor Monaten von meiner Wunschliste, weil die Rezensionen so schlecht waren. Umso erstaunter bin ich, dass es auf der Nominierungsliste gelandet ist.

Wie sieht es aus, hat jemand von euch eines der Bücher gelesen oder generell etwas von den Autoren?

Quelle: http://www.huffingtonpost.com/2011/10/17/lauren-myracle-withdraws-national-book-awards_n_1015649.html

7 Kommentare leave one →
  1. 18. Oktober 2011 18:51

    Ah, danke für die Zusammenfassung. Habe gerade die ersten Aufreger zu dem Thema aufgeschnappt und deinen erklärenden Beitrag dazu gesehen 😀
    Das ist echt mies und total bescheuert. Fehler können passieren, aber erst so tun als seien 6 Nominierte auch okay und dann doch nicht, ist inkonsequent und unprofessionell.
    Ich hab übrigens sehr viele gute Rezensionen zu Chime gesehen, habe es allerdings noch nicht gelesen. Von Lauren Myracle kenne ich nur ihre Kurzgeschichte aus Let It Snow, die fand ich neben den anderen beiden Geschichten eher schwach, aber Shine klingt thematisch schon viel interessanter, werde ich auf jeden Fall auch noch lesen.

  2. 18. Oktober 2011 19:44

    Am Schlimmsten finde ich ja, dass sie die Autorin bitten von selbst zurückzutreten, als wäre sie an irgendetwas Schuld. Haben sie etwa nicht damit gerechnet, dass sie damit an die Öffentlichkeit geht und gedacht, so einfach aus der Sache rauszukommen?

    Ok, dann behalte ich Chime vielleicht doch einmal im Blickfeld.

    • 18. Oktober 2011 20:15

      Das find ich auch absolut lächerlich. Aber wie du schon sagst, im Endeffekt kommt der Trubel wenigstens der Bekanntheit der Autorin zu Gute 😉

  3. 19. Oktober 2011 18:59

    Also, es wäre wirklich am einfachsten gewesen, man hätte beide Bücher nominiert gelassen. Kopfschüttel! Danke für den Hinweis!

  4. 19. Oktober 2011 19:02

    Plus. Ich wundere mich ja, was passiert wäre, wenn SHINE geblieben wäre. Gott behüte, vielleicht hätte das Buch sogar gewonnen … Das wäre dann natürlich nicht auszudenken gewesen – und hätte der „Integrität“ der Beteiligten geschadet, da die das Buch ja gar nicht auf die Liste setzen wollten … whatever

    • 24. Oktober 2011 20:45

      Ich weiß nicht genau wie das ist, aber ich glaube die Jury, die nominiert, wählt ja auch den Sieger aus. Sie hätten Shine also getrost ignorieren und trotzdem ihren Sieger unter den anderen wählen können.
      Ich glaube auch, dass die Jury kein Problem mit Buch Nummer 6 gehabt hätte. Nur die Veranstalter haben das als Grund vorgeschoben.

Trackbacks

  1. Bücher über alles » [Buchsplitter] 22.10.2011

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