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[Serie] Vom Manuskript in den Buchladen – Teil 1

17. Februar 2012

Ein Gedanke, der mir schon länger im Kopf herumgeht, ist, ein paar informative Artikel zum Thema Buch und Buchhandel zu schreiben. Ich habe manchmal den Eindruck, dass diese Branche für Außenstehende teilweise eher nebulös ist, und viele falsche Vorstellungen davon haben. Vielleicht können ja meine kleinen Artikel helfen, einen besseren Einblick in das Geschäft des Büchermachens und -verkaufens zu bekommen. Gebt mir gerne Rückmeldungen – positiv wie negativ – zu dieser neuen Rubrik. Vielleicht erzähle ich hier ja auch nur Sachen, die längst bekannt sind.

Im Zuge dessen beginne ich mit einer kleinen Serie, die unter dem Motto „Vom Manuskript in den Buchladen“ den Werdegang eines Buches verfolgt. Los geht es mit:

Teil 1: Wie kommt das Manuskript zum Verlag?

Am Anfang jedes Buches steht die Akquise im Lektorat, die Gewinnung von Manuskripten für das Programm. Es gibt verschiedene Wege, wie so ein Manuskript zum Verlag kommt, die auch abhängig davon sind, ob es sich um ein deutsches Original oder eine fremdsprachige Lizenz handelt.

Das unverlangt eingesandte Manuskript ist wohl der Weg, den die meisten kennen dürften. Jemand schreibt ein Buch und schickt es auf gut Glück zu einem Verlag. Die meisten Lektoren reagieren auf das Wort unverlangt eingesandtes Manuskript ein wenig wie auf das Wort Wurzelbehandlung. Genauso, wie sich bei Castingshows hauptsächlich Leute bewerben, die nicht singen können, wollen oft genau die Autor werden, die nicht schreiben können. Täglich trudeln in großen Verlagen ganze Postkisten voller Manuskripte ein, die meist nur unter Mithilfe von Aushilfskräften alle gesichtet werden können. Die Erfolgsquote ist gering; in einem großen Verlag werden vielleicht 1-2 Autoren pro Jahr auf diese Weise akquiriert.
Und trotzdem: Kein Verlag kann es sich leisten, diese Einsendungen einfach ungesehen zurückzuschicken, wie ja gerne mal behauptet wird. Einige sehr erfolgreiche deutsche Autoren waren einmal „unverlangt eingesandte Manuskripte“.
Wer als Autor sein Manuskript direkt an einen Verlag schickt, der muss Geduld haben, denn ob der Flut von Einsendungen stapeln sich in so manchem Verlag die Altlasten von Monaten und manchmal sogar Jahren.

Dann gibt es noch literarische Agenturen. Die sind wohl der häufigste Weg, wie ein Manuskript zu einem Verlag findet und es gibt sie in verschiedenen Formen. Eine Form ist die Autorenagentur. Diese Agenturen vertreten Autoren, bieten Verlagen deren Manuskripte an und wickeln dann auch den Verkauf der Rechte ab. Dafür erhalten sie eine Provision, die etwa bei 15% des Autorenhonorars liegt. (Ein Hinweis für angehende Autoren: Vorsicht bei Agenturen, die vorher schon Geld haben wollen, die sind oft unseriös. In der Regel sollte sich eine Agentur von den Provisionen erhalten können.)
Der Vorteil: Agenturen stehen im engen Kontakt zu den Lektoren in den Verlagen, wissen, welches Buch zu wem passen könnte und wie man es ihm anbietet.
Es gibt auch noch einige andere Wege, die etwas seltener sind:

Ein bereits veröffentlichter Autor möchte den Verlag wechseln und tritt direkt an einen anderen Verlag heran. Bzw. es wird bekannt, dass der Autor wechseln möchte und man wendet sich direkt an ihn.

Ein Lektor möchte einen Roman zu einem bestimmten Thema (z.B. einen schönen Afrikaroman) und fragt bei einer Agentur an, ob sie so etwas im Programm haben oder jemanden kennen, der für den Verlag so etwas schreiben könnte.

Lektoren versuchen auch, ihre Augen und Ohren offen zu halten und entdecken so manchmal auch direkt Autoren und sprechen sie aktiv an. Mögliche Wege könnten sein: Die Veröffentlichung einer Kurzgeschichte in einer Zeitung, ein selbstveröffentlichtes Buch, das auffällig erfolgreich ist (gerade das selfpublishing im Netz ist etwas, was Verlage immer mehr im Auge behalten), die Teilnahme bei einem Poetry Slam, ein Nachwuchspreis etc. Grundsätzlich ist es für einen Autor nicht schlecht, ein wenig umtriebig gewesen zu sein, selbst wenn man dabei nicht aktiv entdeckt wird, sind solche Referenzen immer gut, wenn man sich z.B. bei einer Agentur oder gleich direkt bei einem Verlag bewirbt.

Das waren die deutschen Autoren und wie kommt man an fremdsprachige Titel?

Meistens läuft das auch über Agenturen. Diese Subagenturen vertreten ausländische Verlage, ausländische Agenturen und manchmal auch Autoren. Im Prinzip machen sie das gleiche, was Autorenagenturen tun, sie vermitteln Bücher an deutsche Verlage gegen eine Provision von 10-15%. Manchmal sind diese Bücher auch im Ursprungsland noch nicht auf dem Markt. Vieles ist längst nach Deutschland verkauft, bevor wir normalen Leser auch nur ein Cover der Originalausgabe gesehen haben.
Beispiele für große Agenturen im deutschsprachigen Raum:
Mohrbooks, Thomas Schlück Agentur, Michael Meller Agency, …
Viele dieser größeren Agenturen machen beides: Sie vertreten deutsche Autoren, agieren aber auch als Subagentur für ausländische Verlage.

Außerdem gibt es Scouts. Ein Scout spürt in seinem Heimatland neue Stoffe für ausländische Verlage auf. Scouts haben ihre Augen und Ohren überall: Wer schreibt was? Was ist Trend? Wo könnte etwas Neues zu entdecken sein? Sie knüpfen Kontakte zu Verlagen, Agenten, Autoren und sind sozusagen im entsprechenden Land die Augen und Ohren derjenigen, für die sie arbeiten. Von einem Scout kann man manchmal ein vielversprechendes Manuskript zugespielt bekommen, noch bevor es im Ursprungsland einen Verlag gefunden hat.
Bei SPON gibt es einen guten Artikel dazu: Der Duft der Bücher

Wichtig für die Gewinnung von neuen Titeln und Autoren sind auch die Buchmessen. Auf den Messen trifft sich die internationale Branche: Verlage, Scouts und Agenten. Das ist die Gelegenheit, seine Geschäftspartner face to face kennenzulernen. Man sitzt in riesigen Agents Centern an kleinen Tischchen (in Frankfurt gibt es um die 400 davon) zu halbstündigen Terminen. Es werden Kontakte geknüpft, Projekte vorgestellt, an denen man Interesse anmelden kann, teilweise wird schon dort verhandelt und heiße Projekte werden gleich vor Ort zu hohen Summen eingekauft. Entsprechend laut und hektisch dürfte es da zugehen.
Die international wichtigste Messe ist hier in Deutschland: Die Frankfurter Buchmesse (Leipzig hat dagegen in dieser Hinsicht keinerlei Bedeutung). Weitere wichtige Messen sind:
Bologna Childrens Book Fair im März – die wichtigste Messe für den Handel mit Kinder- und Jugendbüchern.
London Book Fair im April – ist ein wenig das Frühjahrsgegenstück zu Frankfurt
BookExpo in New York im Mai
Göteborg International Book Fair im September – die wichtigste Messe für skandinavische Literatur

So, und nun ist das Lektorat eingedeckt mit unverlangt eingesandten Manuskripten, mit Prüfexemplaren von Agenten und einer Menge mehr. Was nun? Jetzt wird gelesen und geprüft. Meist Abends, Nachts und am Wochenende, denn tagsüber müssen andere Dinge koordiniert werden. In einem durchschnittlichen Lektorenbüro stapelt sich überall Papier und das schlechte Gewissen in Form von seit Wochen vernachlässigten Prüfexemplaren drückt, denn oft ist es kaum möglich, alles abzuarbeiten.
Viele Verlage arbeiten teilweise mit externen Gutachtern, die gegen Bezahlung (meist zwischen 50-100 €) lesen und und dann ein mehrseitiges Gutachten schreiben. Ein guter Gutachter muss im Idealfall nicht nur das entsprechende Genre beurteilen können, sondern auch ein wenig den Markt kennen, um eine gute Einschätzung zu liefern. Aber letztlich bleibt es dabei: Wer im Lektorat arbeitet, muss lesen. Sehr sehr sehr viel lesen. Und auch wenn das, was von Agenturen und Scouts weitergereicht wird, eigentlich schon eine Art Vorauswahl ist, muss der Lektor noch immer genug Unbrauchbares sichten, bis er das eine Buch gefunden hat, das er in seinem Programm haben möchte. Die romantische Vorstellung vom Lektor, der in seinem Büro den ganzen Tag in guten Büchern schmökert, ist extrem weit von der Realität entfernt.

Und wie es danach weitergeht, das erzähle ich im zweiten Teil:

Teil 2: Was will der Verlag haben, wer will es noch und was kostet es?

14 Kommentare leave one →
  1. 17. Februar 2012 20:22

    Tolle neue Serie, sehr informativ. Finde ich toll, dass du dir Zeit nimmst dein Wissen zu teilen 🙂

  2. 17. Februar 2012 22:23

    Kann Miss Bookiverse nur zustimmen, mehr davon 😀

    • 19. Februar 2012 13:23

      Wird es geben. Ich denke, ich werde es, wenn mir nichts dazwischenkommt, zu einer wöchentlichen Serie machen.

  3. 18. Februar 2012 07:54

    Gut geschrieben und deckt sich mit meinen Wissen 🙂

  4. minthoa permalink
    19. Februar 2012 12:44

    Werde ich gleich mal weiterleiten…
    Was mich noch interessieren würde: Was macht eigentlich ein gutes Buch aus, oder was sollte eines auf keinen Fall beinhalten, damit der Lektor es ablehnt?

    • 19. Februar 2012 13:21

      Dazu sage ich im nächsten Teil noch etwas.
      Genrell gibt es da aber keine Pauschalantwort. Das ist völlig abhängig von Verlagsprogrammen, Genres und den Lektoren selbst (die ja auch nur Menschen sind und bei aller Professionalität auch einen persönlichen Geschmack haben).

      • minthoa permalink
        19. Februar 2012 20:18

        Na dann hoffe ich, dass du bald Zeit dafür finden wirst. Ich versuch mich nämlich gerade am Betalesen und hab keine Ahnung wie ich da am besten weiterhelfe.

        Ach und wie klappt’s denn mit Scent of a Woman? *rot werd*

        • 19. Februar 2012 21:46

          Na ja, Bücher werden für Leser geschrieben. Entsprechend musst du dich als Beta nicht in eine andere Perspektive verbiegen. Was denkst du persönlich als Leserin? Was findest du gut, was schlecht? Hinterfrage was du liest und sag dann ehrlich, was du denkst. Ich denke, dass das die beste Art ist, dem Autor zu helfen.

          Öhm ja. *nach einem Schlupfloch sucht* Der Text ist geschrieben, vor den Screenshots drücke ich mich gerade, weil das immer so lang dauert. Aber gut, dass du mich daran erinnerst, so ein sanfter verbaler Tritt kann nicht schaden. 😉

  5. 19. Februar 2012 18:33

    Geile Idee für eine neue Blog-Serie! Danke dafür. Bin gespannt auf die nächsten Teile

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