Zum Inhalt springen

[Kdrama] On the Way to the Airport (공항 가는 길)

22. November 2016

otwtta

Als ich begann, dieses Drama anzusehen, hätte ich nicht erwartet, dass ich das am Ende sagen würde, aber: On the Way to the Airport ist das beste Kdrama, das ich in sehr langer Zeit gesehen habe. Das mag für einige überraschend kommen, immerhin ist es eine sehr zurückgenommene, ruhige, beinahe unspektakuläre Serie, die nie einen besonders großen Fanhype um sich hatte, doch genau das ist ihre Stärke: Sie erzählt ihre Geschichte ohne große Effekthascherei und lässt dabei den Figuren ihre Menschlichkeit.

Soo Ah (Kim Ha Neul) ist Stewardess und Mutter einer zwölfjährigen Tochter, Hyo Eun. Sie ist mit einem Piloten verheiratet, den sie in ihrem ersten Jahr im Beruf kennengelernt hat, doch die romantische Verliebtheit ist lange vorbei. Ihr Mann hat einen tyrannischen Zug an sich, ist unfähig, wirklich Zuneigung für ihre gemeinsame Tochter zu zeigen und ihr gegenüber verhält er sich abweisend. Auch als es darum geht, eine Schule für das Mädchen auszuwählen, die es beiden Elternteilen ermöglicht, weiterhin zu arbeiten, entscheidet er allein und weist seine Frau nur an, die Koffer für sie zu packen: Seine Tochter soll auf ein Internat in Malaysia.

Zunächst scheint es, als würde alles gut, denn Hyo Eun findet in ihrer Zimmergenossin Annie eine Freundin. Doch dann verunglückt Annie tödlich. Soo Ah holt ihre verstörte Tochter sofort nach Korea zurück, was ihrem Mann natürlich gar nicht gefällt und trifft dabei zufällig auf Annies Stiefvater Do Woo (Lee Sang Yoon). Do Woo ist Architekt und erst seit einigen Jahren mit Annies Mutter verheiratet, liebt das Kind aber wie sein eigenes. Ihr Tod bricht ihm das Herz und die Tatsache, dass die Mutter sich schlicht weigert zu trauern oder auch nur über das Mädchen zu sprechen, macht ihm schwer zu schaffen. Es ist also kein Wunder, dass Soo Ah und Do Woo beeinander den Trost finden, den sie bei ihren Ehepartnern nicht finden – nur dass es eben nicht bei Trost bleibt.

 

Mich hat überrascht, wie viel Buhei es teilweise im Vorfeld in den Kommentarbereichen bekannter Blogs gab: Ein Drama über Ehebruch! Schrecklich, wie dieses Verhalten auch noch romantisisert wird! Ich musste zugegebenermaßen etwas darüber lachen. Ich meine: In Kdramas wird fortwährend psychische und physische Gewalt romantisiert, etwa wenn Frauen am Arm herumgezerrt, in Autos geschubst oder gewaltsam geküsst oder umarmt werden. Gewalt von Eltern gegen Kinder, von Vorgesetzten gegen Untergebene ist durchaus auch mal Stoff für Comedy. Aber da regt sich nur halb so viel Widerspruch wie bei einer Serie, in der zwei erwachsene Menschen sich neu verlieben – obwohl noch gar nicht klar ist, wie es gehandhabt wird. Das wirft schon ein interessantes Bild auf das, was in unserer Kultur als okay und nicht okay gilt. (Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich finde es scheiße seinen Partner zu betrügen, das bedeutet nicht, dass ich mir keine Serie ansehen werde, in der es um das Thema geht – es kommt immer darauf an, wie es gehandhabt wird.)

Die Macher der Serie sagten zu Beginn, dass dies kein Drama über Ehebruch sei – was viele schnaubend von sich wiesen, die beiden führen doch ganz klar eine Beziehung hinter den Rücken ihrer aktuellen Partner. Doch jetzt, nachdem ich alle Folgen gesehen habe, ahne ich, wie diese Aussage gemeint war. Ehebruch ist ein Thema der Serie, aber es ist nicht das Hauptthema. Es geht letztlich vor allem um Freiheit und darum, inwieweit man das eigene Glück anderen Dingen unterordnet.

Darüber hinaus wirft es einen interessanten Blick auf antiquierte Geschlechterrollen in einer modernen Zeit. Dabei kommentiert und kritisiert es nicht viel, es stellt vor allem dar und lässt den Zuschauer über das Gesehene nachdenken und seine Schlüsse ziehen. Es gibt in dieser Serie, ganz untypisch für ein Medium, in dem gerne mit Extremen von Gut und Böse gespielt wird, keine Figuren, die man wirklich verdammen oder in den Himmel heben kann. Sie alle sind menschlich, sie alle tun auch mal falsche Dinge und sie alle haben ihre Gründe, sie zu tun. Dass in diesem Drama niemand auf der Strecke bleibt, dass jeder bis hin zu der Tochter und der Schwiegermutter wirklich ein Charakter ist und auch eine Entwicklung durchmacht, ist vielleicht einer der Aspekte, die ich an der Serie am meisten liebe.

Zentrale Figur ist mit Sicherheit Soo Ah, die eine zurückhaltende, sanfte und extrem pflichtbewusste Frau, die sich von ihrem Mann sehr viel gefallen lässt. Schon früh wird dem Zuschauer ihr Dilemma klar, lange bevor ihre Tochter sagt, Korea sei ein hartes Land für „working moms“. Wir sehen Sie nach einem Flug nach Hause kommen, um Mitternacht Waschmaschinen füllen und Essen für ihren Mann vorbereiten, das sie ihm im Kühlschrank zurücklässt. Wir sehen ihren Mann dieses Essen aus dem Kühlschrank nehmen und naserümpfend verschmähen. Bilder, die für sich sprechen. Wir sehen, wie er sich windet, als er einmal Zeit mit seiner Tochter verbringen soll und wie er ihr dann sagt, sie solle sich aufs Lernen konzentrieren, optisch würde sie ja nicht viel hermachen.

Es ist das Problem vieler moderner Frauen. Arbeiten gehen und können und zu dürfen ist auf der einen Seite eine Errungenschaft, auf der anderen Seite irgendwie auch eine Mogelpackung, weil sich drumherum zu wenig geändert hat. Sogenannte Care-Arbeit, also sich kümmern um Kinder und Angehörige, bleibt Frauenarbeit und damit kommt die Doppelbelastung. Während der Mann nach der Arbeit noch auf ein Bierchen mit seiner Exfreundin geht, rennt Soo Ah sich die Hacken ab und grämt sich, ihrer Tochter nicht genug Aufmerksamkeit schenken zu können – und erntet dafür vor allem Verachtung. Irgendwann zerreißt sie dieser Zwiespalt fast und sie kündigt ihren Job – ein bittersüßer Moment zwischen Erleichterung und Niederlage, der dadurch visualisiert wird, dass Soo Ah zur Ruhe kommt, während sie einer Frau auf ihrem Balkon beim Wäscheaufhängen zusieht.

Es ist interessant dagegen Do Woos Frau zu sehen, die in gewisser Weise das Gegenstück dazu ist. Sie bereut es, ein Kind bekommen zu haben, weil sie weiß, was sie vor sich haben wird. Dass jeder das Kind als ihre erste Priorität ansehen würde (inklusive ihr selbst vermutlich) und dass ihr Schaffensdrang und ihr Wunsch nach einer Karriere damit erdrückt würden. Also lässt sie das Kind vorläufig beim Vater. Diese Figur trifft im Laufe der Serie einige sehr fragwürdige Entscheidungen, die letztlich einer der Gründe für das Scheitern ihrer Ehe sind und ihre inneren Konflikte und Schuldgefühle lassen sie stellenweise grausam werden, aber das Drama verpasst es nicht, ihre Beweggründe zu zeigen. Sie wird nicht als herzlose Frau dämonisiert – sie ist menschlich. Sie ist jemand, die bei dem Konflikt vor dem Frauen in dieser Welt zwischen Moderne und Tradition stehen, gewagt hat, sich selbst an die erste Stelle zu setzen – wie viele Männer es auch tun, ohne dass es ein so großes Thema wäre.

Soo Ahs Mann dagegen verkörpert perfekt den Machismo dieser Welt. Alle Arbeit, die mit Kind und Haushalt zu tun hat, überlässt er seiner Frau, bestimmen will jedoch er selbst als Herr des Hauses. Er hat so etwas wie eine Affäre mit seiner Ex, die pikanterweise die beste Freundin seiner Frau ist und die er gerne damit demütigt, dass sei als „alte Frau“ seiner eigentlich gar nicht würdig wäre – während er gleichzeitig unglaublich abhängig von ihr ist. Fremdgehen und –flirten ist für ihn okay, für seine Frau aber nicht. Er ist vollkommen unfähig, seinem Kind ein liebevoller Vater zu sein oder an irgendwelche Belange und Gefühle als seine eigenen zu denken. Und selbst diese Figur bekommt Zwischentöne. Es gibt Momente da blitzt es durch, das Gefühl für seine Tochter, sogar für seine Frau, man ahnt, darunter steckt jemand, der vielleicht zu liebevollen Gefühlen fähig wäre, doch dann übernimmt der herrische Teil wieder. Der herrische Teil, den er braucht, um zu verstecken, dass er eigentlich ein schwacher und unsicherer Mann ist. Doch Schwäche zu zeigen entspräche nicht dem Männerbild, das er von seinem tyrannischen Vater vorgelebt bekommen hat. Er kann einfach nicht aus seiner Haut.

Der vielleicht am schwächsten entwickelte Charakter ist Do Woo. Ich hätte mir gewünscht, dass einigen seiner zweifelhafteren Entscheidungen und Charaktereigenschaften noch stärker auf den Zahn gefühlt wird, denn im Grunde hat er so nur die Rolle eines Kontrasts, eines liebevollen, modernen Mannes, eines besseren Partners.

Es steckt noch so viel mehr in diesem Drama, das ich hier jetzt nicht alles ansprechen kann, aber es ist so schön zu sehen, wie alle Figuren ihren Raum bekommen, wie sich die Zeit genommen wird, ihre Geschichten auszuerzählen und ihre Blickwinkel einzunehmen, um andere Perspektiven auf das Geschehen zu eröffnen, was auch den Zuschauer herausfordert, dem es schwerer gemacht wird, mit dem Finger auf einen Bösewicht zu zeigen.

Und wie steht es nun mit dem Ehebruch? Wird das denn nun so schrecklich romantisiert? Nun, man hat es sich natürlich etwas einfacher gemacht, indem man beiden Ehen Probleme gegeben hat. Eine tatsächliche Dämonisierung der aktuellen Partner bis ins Extrem findet aber, wie gesagt, nicht statt. Es ist auch schlecht vorstellbar, dass Soo Ah ihren Mann einfach so betrogen hätte, es ist vielmehr ihr Ausbruch aus einer Situation, die sie beinahe erstickt. Es ist auch nicht so, dass das Thema auf die leichte Schulter genommen wird. Den Folgen des Ehebruchs, den Schmerzen und Schuldgefühlen auf allen Seiten wird viel Raum gegeben, bis alle ihre Emotionen einigermaßen aussortiert haben und es zu einem sehr vernünftigen und befriedigenden Ende kommen kann.

Schauspielerisches Highlight der Serie ist für mich Shin Sung-Rok, der Soo Ahs Ehemann spielt und dessen Zwischentöne perfekt einfängt. Aber was mich vielleicht am meisten beeindruckt hat, war, wie beständig und stimmig diese Serie war. Keine dramatischen, an den Haaren herbeigezogenen Wendungen, einfach eine Geschichte, die in einem gemächlichen, aber angemessenen Tempo über die Dauer der 16 Folgen erzählt wird. So oft habe ich in letzter Zeit Dramas gesehen, die ihr Publikum um jeden Preis beeindrucken wollten, wodurch Situationen entstanden, bei denen man dachte: Wie kommen sie da wohl wieder raus? Mit der ernüchternden Erkenntnis: Tun sie nicht, der Quatsch ergibt in den letzten Folgen dann eben einfach keinen Sinn mehr. Da schätze ich es umso mehr, wenn eine Serie sich auf das Wesentliche konzentriert und das einfach gut macht. Alles an dieser Serie harmoniert: die Bildsprache, die Farben, die Hintergrundmusik. Es wurde an wunderschönen Orten gedreht und in mir meldete sich dabei manchmal ein Ziehen, denn ja, diese Aussicht ist genau das, wie ich Seoul in Erinnerung behalten habe, und ja, das ist Jeju. Einigen mag das etwas zu durchgestylt und glatt sein, manchmal zu kitschig und zu sentimental, aber die Serie darunter hat so viel mehr Substanz als 90% von dem, was ich in den letzten 3 Jahren gesehen habe. Empfehlung für alle, die es ruhig und nachdenklich mögen.

Daten:

KBS2, 2016, 16 Episoden

Auf Viki (legal und kostenlos mit Werbung):

https://www.viki.com/tv/31963c-on-the-way-to-the-airport

One Comment leave one →
  1. 22. November 2016 16:09

    Hallo!
    Und ich stimme dir zu, ein was das Tempo betrifft sehr gelassenes Drama.
    Es hat Verständnis beim Zuschauer gefördert ohne durch zu viel Tempo zu überfordern.
    Für manche mag es reizarm gewesen sein, für mich war das ein Qualitätsmerkmal dieser Serie, die einfach nur stimmig war in jeder Beziehung, Handlung, Charaktere, Bild und Musik.

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..