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[Rezension] Will Grayson, Will Grayson

7. Januar 2012

You know what’s a great metaphor for love? Sleeping beauty. Because you have to plow through this incredible thicket of thorns in order to get to beauty, and even then, when you get there, you still have to wake her up.

Will Grayson, Will Grayson
von David Levithan und John Green

Verlag: Speak, 2011
ISBN: 0142418471
Seiten: 336
Preis: 6-7 €

Deutsche Ausgabe

Will & Will

cbt
ab März 2012
357016103X
14,99 €

Die Versuchung
Wenn sich zwei der derzeit besten Jugendbuchautoren zusammentun und gemeinsam ein Buch schreiben, wie kann man da widerstehen?

Was habe ich erwartet?
Ich habe ein intelligentes, etwas „nerdiges“ Jugendbuch erwartet, wie man es von beiden Autoren gewohnt ist.

Was habe ich bekommen?
So ziemlich das, was ich erwartet habe. Auch wenn die Geschichte anders verlief, als ich es mir vorher gedacht hatte.

Selten hat ein Cover so gut zu einem Buch gepasst, wie das von Will Grayson, Will Grayson. Ich empfand diesen Roman nämlich genau so: schillernd, bunt, faszinierend und ein wenig ausgeflippt.

Will Grayson, Will Grayson handelt von zwei Jungen mit dem gleichen Namen: Will Grayson. Sie kennen sich nicht und führen völlig unterschiedliche Leben. Will1, geschrieben von John Green, gehört eher zur zurückhaltenden, etwas zaudrigen Fraktion. Dass sein bester Freund Tiny Cooper ist, der nicht nur dadurch auffällt, dass er riesengroß und offen homosexuell ist, sondern auch, weil er an der Schule das schwulste Musical aller Zeiten inszenieren will, ist nicht ganz leicht für ihn. Will wäre am liebsten Normalo, aber die Leute, die ihm wirklich ans Herz wachsen, sind nun einmal nicht normal. Deshalb schwank er auch ständig: Er verteidigt Tiny öffentlich und bereut es hinterher wieder und er weiß nicht, ob er Musicnerdin Jane wirklich gern hat oder nur ein bißchen süß findet.
Will2, geschrieben von David Levithan, ist eher düster und zornig. Er nimmt Medikamente gegen Depressionen und ist wütend auf alle, die sein Unglücklichsein nicht verstehen. Das Einzige, was ihn glücklich macht ist Isaac, seine Chatbekanntschaft, der ihn besser zu verstehen scheint als jeder andere Mensch.
Beide Wills brauchen einen kleinen Schubs, einen neuen Impuls, um sich ein wenig weiterzuentwickeln. Und beide bekommen ihn, als sie sich zufällig eines Nachts an einem höchst ungewöhnlichen Ort begegnen.

Das großartigste an diesem Buch sind die beiden Jungenfiguren, die so vielschichtig und echt sind, dass sie einen von der ersten Seite an packen. Besonders Will2 hatte es mir angetan, denn seine Wut und Traurigkeit ist so greifbar, dass sie einen förmlich aus dem Buch heraus anspringen. Sein Verhältnis zu seiner Mutter gehört zu den intensivsten Dingen des ganzen Buches und hat mich vielleicht am stärksten berührt, weil es die schwierige Eltern-Kind-Beziehung in dieser Lebensphase zwischen Kindsein und Erwachsenwerden emotional so gut erfasst.
Die Geschichte die erzählt wird, ist auch gar nicht so spektakulär, man erhält einfach Einblick in diese Figuren und erlebt ein paar Wochen mit ihnen. Es geht um die Themen, die in diesem Alter wichtig sind: Eltern, Liebe, Freunde und das Finden der eigenen Persönlichkeit. Erzählt wird das in einer Sprache, die jugendlich umgangssprachlich anmutet und dabei deutliche Worte findet, ohne je derb oder primitiv zu wirken. Das verhindert schon, dass mit dieser Sprache keine Nebensächlichkeiten erzählt werden, sondern die Jugendlichen stark über das, was um sie herum und mit ihnen passiert, reflektieren und philosophieren.

Ich habe nur ein Problem mit dem Roman, und das heißt Tiny Copper. Es ist nicht so, dass ich Tiny nicht mochte. Ich empfand es nur als unvorteilhaft, wie diese Figur von beiden Autoren im Roman beschrieben und aufgebaut wird. Wann immer von Tiny die Rede ist, wird übertrieben. Tiny ist der riesigste Riese und der schwulste Schwule, den es je gab. Man kann nicht mit so vielen Superlativen arbeiten, ohne dass so eine Figur ein wenig zur Karrikatur verkommt. Miss Bookiverse meinte in ihrer tollen Rezension zu diesem Buch, dass es ihr schwerfiel, sich Tiny bildlich vorzustellen. Als ich das las, musste ich heftig nicken, denn genauso ging es mir auch. Während die anderen beiden Jungen so tief und interessant sind, war Tiny für mich nie wirklich „echt“. Und deshalb verfehlte auch das stark auf Tiny zentrierte Ende seine Wirkung auf mich. Diese Figur hätte so viel mehr sein können.

Abgesehen davon habe ich Will Grayson, Will Grayson aber sehr genossen. Es ist witzig, originell, sensibel und klug. Und was kann man mehr von einem Buch wollen?

Wertung: 4,0 (von 5,0)

9 Kommentare leave one →
  1. 7. Januar 2012 13:02

    Ich habe mir das Hörbuch zum Buch besorgt und es nach den ersten 4 Kapiteln vorerst liegen lassen. Das liegt u.a. daran, dass der Sprecher zu Will 2 mir ungeheuer auf den Keks geht. -.- Sowas bremst natürlich immer den Lesespaß bei einem Hörbuch.

    Zudem hatte ich aber auch das Gefühl, dass hier nicht wirklich viel passiert. So wie ich es nach Deiner Rezi einschätze geht es vorerst um die Charaktere an sich und weniger um das Drumherum. An sich habe ich da überhaupt nichts gegen, aber irgendwie packt es mich mit den beiden Wills noch nicht so.

    Ich werde nochmal irgendwann einen Versuch starten, aber großer Hoffnung bin ich nicht. Ich hätte mir das Buch anstatt dem Hörbuch dazu besorgen sollen… :-/

    • 7. Januar 2012 22:18

      Oh, das kann ich mir vorstellen, dass ein schlechter Sprecher einem so ein Buch zunichte machen kann. Gerade, weil Will2 an sich schon ein echt anstrengener Bursche ist.

      Ja, es ist wirklich handlungsarm. Seltsamerweise war es trotzdem das erste Buch seit Wochen, von dem ich nicht gelangtweilt war.

  2. 7. Januar 2012 13:20

    Das klingt toll – und ist soeben auf meiner Wunschliste gelandet. (Obwohl ich die beiden mir bislang bekannten Bücher, an denen Levithan beteiligt war, nicht ganz so überzeugend fand.)

    Im März kommt übrigens eine deutsche Ausgabe des Buchs bei cbt, sie wird „Will & Will“ heißen und hat lange kein so treffendes Cover, wie mir scheint.

    • 7. Januar 2012 22:23

      Hach, das schaut man einmal nicht nach, da veröffentlicht cbj das doch glatt still und leise. Danke für den Hinweis, ich hab es schnell noch eingebaut. Das Cover ist nicht mein Fall (langweilig) und ich würde es auch nicht mit dem Buch verbinden. Aber ich glaube, ich weiß, worauf sie damit hinauswollen und ich weiß nicht, ob die Regenbogenoptik auf dem deutschen Markt funktioniert hätte. Aber mutig, dass sie ein HC draus machen.

      Lustigerweise war Levithan für mich der Stärkere von den beiden in diesem Buch. Ich mag Levithan, hätte aber, wenn man mich vor die Wahl gestellt hätte, immer John Green vorgezogen.

  3. 9. Januar 2012 10:18

    Oh, das möchte ich aber sehr gerne lesen! John Green kenne ich peinlicherweise gar nicht, aber David Levithan mag ich sehr (wobei ich Lover’s Dictionary enttäuschend fand – hast Du das gelesen?).
    Deine Kritik am besten Freund hat mich sehr an eine Figur in Boy meets Boy erinnert. Da war ich auch erst sehr skeptisch, fand dann aber dass sie ganz gut dort hin passt, weil das ganze Buch eine Utopie und ein einziger Superlativ ist.

    • 9. Januar 2012 18:44

      John Green kann ich sehr empfehlen. Mein Lieblingsbuch von ihm ist „Die erste Liebe ..:“ (An Abundance of Katherines).

      „Das Wörterbuch der Liebenden“ habe ich vor einer Weile auch in die Finger bekommen und bei der Hälfte abgebrochen. Ist sicher eine ganz reizvolle Idee, aber ich konnte damit nichts anfangen.

      Ja, das stimmt, Tiny wäre eine typische „Boy meets Boy“-Figur. Deshalb war ich auch am Anfang überzeugt davon, dass Levithan die Passagen von Will1 geschrieben hätte, die mich allgemein ganz stark an „Boy meets Boy“ erinnerten (das ich übrigens sehr mochte). Hat mich sehr überrascht, dass diese Teile von John Green stammten.

  4. 10. Januar 2012 16:32

    Danke für die lobende Erwähnung 🙂
    Du bist die Erste, der ich begegne, die auch Levithans Will spannender fand. Sonst sind alle immer Team Green (wobei ich mich zwischen den Autoren fast nicht entscheiden könnte).
    Schöne Rezension auf jeden Fall, ich habe direkt Lust bekommen das Buch noch mal zu lesen 😀

    • 14. Januar 2012 17:23

      Ich war fest davon überzeugt, dass ich Team Green sein würde. Aber Levithans Will ist einfach die spannendere Figur, wenn auch vielleicht für viele nicht die sympathischere.

      Danke. 🙂

      • 14. Januar 2012 19:34

        Ich finde Levithan schreibt noch ein wenig kunstvoller. Green schreibt fantastisch und oft sehr amüsant und er hat auch tolle philosophische Gedanken, aber Levithan ist ihm da noch einen Schritt voraus finde ich… vllt wenn John etwas älter wird 😉

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