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Buchmarketing der Zukunft: 50 Shades und kein Entkommen

3. Juni 2015

Gerade wurde ich (mal wieder) über Twitter auf eine Gruppe verstimmter Romance-Autorinnen aufmerksam. Den Grund für ihre Verstimmung fand ich ganz interessant, deshalb möchte ich die Hintergründe hier mit euch teilen.

Der Ursprung der Verstimmung ist E.L. James, die ja mit ihrer unsäglichen Missbrauchsschmonzette 50 Shades of Grey des Öfteren der Grund für Verstimmungen verschiedenster Art ist. Gestern verbreitete es sich dann wie ein Lauffeuer: Es wird einen neuen Roman von ihr geben – wobei, nicht wirklich einen „neuen“, es ist einfach die ganze Chose noch mal aus Christians Sicht, unter dem Titel Midnight Sun  Grey. (Ich muss sagen, langsam zolle ich der Frau fast schon Bewunderung für so viel Schamlosigkeit und ich wage nicht zu hoffen, dass sie es ihrer Vorlage, Stephenie Meyer, nachtut und das Ding im letzten Moment zurückzieht. Dafür mag E.L. das Geld doch viel zu sehr.*) Laut dem Verlag wollte die Autorin nicht, dass man das Buch lange vor dem Erscheinungsdatum ankündigt, sie wollte, dass es eine „Überraschung“ für die Fans wird. Werbung braucht es ja ohnehin nicht, der Hype ist ja noch in vollem Gange. Könnte man denken …

Heute entdeckten viele amerikanische Autorinnen und Autoren, die einen auch nur ansatzweise als erotisch einzustufenden Roman verfasst haben, dass auf der Produktseite ihres Buches auf amazon.com eine Werbeanzeige für „Grey“ prangte. Und zwar noch über den Produktdetails und der Inhaltsbeschreibung.

shades_werbung(anklicken für ein größeres Bild)

 

Erst konnte ich die Aufregung nicht ganz nachvollziehen – automatisch generierte Empfehlungen gibt es ja schon lange auf den Produktseiten; aber die waren auch hinter den Produktinformationen – und es waren keine gezielt platzierten Werbeanzeigen für immer das gleiche Buch. Das ist jetzt ein bisschen so, als würde man in einem Buchladen ein Buch in die Hand nehmen, es umdrehen, um den Klappentext zu lesen und ein Buchhändler springt herbei und hält einem „Grey“ vor die Nase und fragt: „Schon gesehen? Möchten Sie nicht lieber DAS hier kaufen?“ Ok, das hinkt, aber ich denke man versteht, was ich meine.
Jenny Trout hat einen Artikel dazu geschrieben, in dem sie noch einige andere Aspekte erwähnt: Die Tatsache, dass das Buch keine Vorankündigung hatte, führte unter anderem dazu, dass Verlage und Autoren keine strategische Planung unternehmen konnten, denn „Grey“ wird die Spitze der Bestsellerlisten für Wochen besetzten und vermutlich seine Vorgänger hinter sich herziehen. Bestsellerlisten sind heute wichtiger denn je, um wahrgenommen zu werden. Wer also jetzt zeitgleich mit der guten E.L. erscheint, hat ohnehin schon die sprichwörtliche Arschkarte und nun muss er auch noch hinnehmen, dass jeder, der sich sein Buch bei dem marktführenden Unternehmen ansieht, den Titel noch einmal unter die Nase gerieben bekommt. Ein Buch. Auf allen Kanälen. Kein Leser, der sich ansatzweise für das Genre interessiert, wird ihm entgehen können. Schöne neue Büchervielfalt.

Kein Grund, in kulturpessimistisches Geheule auszubrechen, aber ich denke, dass man diese Art des Buchmarketings zur Kenntnis nehmen und in seine Überlegungen, wie man sich den Buchmarkt der Zukunft vorstellt, miteinbeziehen sollte. Was passiert, wenn ein großer Anbieter quasi versucht, Autoren ihre Leser abspenstig zu machen, weil er zusätzliches Geld damit verdient, wenn die Leser ein anderes Buch kaufen? Wie geht ein Autor damit um, dass sein Buch sehr prominent mit anderen Autoren in Verbindung gesetzt wird, die er vielleicht zutiefst ablehnt? Dass er mit seinem Buch gewissermaßen unabsichtlich Werbung für ihn macht? Wie hier im Falle von Jenny Trout, die James und ihre Bücher stets scharf kritisiert hat. Es ist fast so etwas wie die späte Rache der E.L. James, dass nun unter jedem von Trouts Büchern ein Werbebanner für Grey klebt.

 


 

* Es gibt im Netz so einige alte Chatlogs von E.L. James aus ihrer Fanfiction-Zeit zu finden, in denen sie diesbezüglich keine gute Figur macht.

6 Kommentare leave one →
  1. 4. Juni 2015 16:26

    Haha, ja das war schon „funny“ als ich das gestern gelesen habe. Erst dachte ich, es sei eine Fortsetzung – ich habe die Story ja weder gelesen noch die bewegten Bilder dazu angeschaut – aber dann das. Wir haben sowas früher als Schreibübung gemacht, das war schon recht witzig. Ich weiß allerdings nicht, ob das so bei den Fans (muss ja welche geben) ankommt, immerhin ist es ja die gleiche Story und die hat man ja schon gelesen. Wenn man also nicht 100% dabei ist … angeblich hat ja nur jeder dritte (oder wars sogar jeder fünfte?) in D überhaupt das Buch (wenn es ein E-Book war) zuende geschafft.
    Ansonsten verstehe ich den Onlinehändler ohnehin nicht. Da wird immer nur Werbung (unbezahlte) für die gemacht, die ohnehin schon gut verkaufen. Wenn er aber mehr verdienen möchte, muss er doch einfach mal Werbung machen für die, die sich bisher eher mau verkauft haben. Die Leser entscheiden ja ohnehin selbst was sie kaufen und was nicht. Aber in diesen vielen Empfehlungslisten, die ich ständig per Mail bekomme sind immer nur die gleichen drin. Steht man sich da nicht quasi selbst im Weg? Oder hab ich da irgenwo einen Denkfehler?

    • 4. Juni 2015 18:28

      Man darf nicht immer vom Sonderfall des informierten Viellesers ausgehen, der den Bestseller UND das andere Buch kaufen würde. Das ist nicht die breite Masse. Der Normalleser kauft sich ein Buch und entscheidet sich oft für das, das viele andere auch schon gut fanden, von dem er „schon mal was gehört“ hat.
      Und der Oninehändler hat schlicht kein Interesse daran, dass sich verschiedene Dinge verkaufen, hauptsache er verkauft. Was, das ist ihm egal, solange der Gewinn stimmt. Und wenn er mehr vom gleichen Buch verkauft, bekommt er vielleicht sogar noch mal bessere Rabattierungen. Zumal er lieber verkauft, was er selbst in großen Mengen am Lager hat (die Spitzentitel) als das Buch des kleinen Verlags, das er über den Zwischenhändler ordern muss und bei dem er dann eine geringere Gewinnspanne hat.
      Und bei Amazon dürften die wenigsten Werbe- oder Empfehlungsplatzierungen kostenlos sein. Also erstere schon mal gar nicht. Ich will gar nicht wissen, was da für ein Deal geschlossen wurde.

      Und zum Buch: Es scheinen genug gelesen zu haben, um auch Band 2 und 3 für Wochen auf den Listen zu halten. Entsprechend bin ich mir ziemlich sicher, dass auch das ein Bestseller wird. Ich frag mich, ob das jetzt das Rechtfertigungsbuch wird, nachdem ihr viele Frauen ja vorgeworfen haben, dass Christian sich genauso verhält wie ihre kontrollsüchtigen und oft gewalttätigen Expartner. Mit dem Buch will sie wohl jetzt allen beweisen, was für ein zartes Seelchen der Christian doch in Wirklichkeit ist und dass er nie was Böses wollte. Bla …
      Ach ja, und die Kuh weiter melken. Sonst müsste sie sich was Neues, nein, überhaupt erst mal was Eigenes einfallen lassen.

  2. 5. Juni 2015 20:21

    Ich seh jedes Mal, wenn ich über eine Anzeige für den neusten Band stoße, Dollarzeichen. Die Frau reitet nur ihre eigene furchtbare Welle weiter und für mich sagt das einiges über sie als Mensch aus, aber nichts über sie als Autorin. Sie ist Geld geil und ideenlos (Schon allein, weil sie aus ner Fanfiction so viel Geld zieht. Egal wie viel sie dazu selbst gesponnen hat, die Substanz ist und bleibt Twiligt.) Oft sind diese Bücher aus seiner Sicht gepickt von den selben Szenen, den oft selben Beschreibungen und wenig Neuem. Ich bin noch nie auf solch ein Buch gestoßen und hab gedacht: Boah, das hat der Story jetzt aber ne ganz neue Dimension gegeben. Stattdessen blieb da immer ein bitterer Beigeschmack und eine schlechte Meinung. Aber das ist meine Meinung und wie Du ja bereits schon kommentiert hat. So denkt sicher nicht die breite Masse. Jeder, der Mal ein Buch zur Hand nimmt, schaut was die Masse empfohlen hat und was auf der Bestseller Liste steht. Ich hab den Blogbeitrag auf Trout Nation auch gelesen und empfands wirklich wie ein Schlag ins Gesicht für sie. Sie, die ewig gegen ELJames angeschrieben und gewettert hat, bekommt jetzt auf ihre Produktseite diesen Mist geklatscht.

    Liebe Grüße

    • 7. Juni 2015 20:23

      Ach, die einzige Freude, die ich daran haben werde, ist, dass Jenny wieder Recaps zu Grey schreiben wird. Und ich weiß jetzt schon, dass ich die brauchen werde, sollte der Hype allzu nervig werden.

      Passiert mir echt selten, dass ich nicht nur ein Buch nicht mag, sondern auch eine Autorin absolut ablehne. Umso mehr ärgert mich, dass sie mit dem Quatsch auch noch Geld verdient, während talentiertere Autoren am Existenzminimum herumkrebsen.

  3. 8. Juni 2015 19:37

    Da lohnt es sich doch wieder, dass ich für englische Bücher bei meinem örtlichen Buchhändler zwar etwas mehr bezahle als ich es bei Amazon tun würde (und ja, auch länger auf die Lieferung warten muss), denn von solchen Werbeaktionen bekomme ich dadurch absolut nichts mit. Mich kann man ja mit zu viel Werbung auf einer Seite – und da ist Amazon keine Ausnahme – wirklich erfolgreich abschrecken. 😉

    • 13. Juni 2015 20:36

      Die Aktion war zum Glück auf amazon.com beschränkt und lief nur 1-2 Tage. Aber ich halte das auf jeden Fall für einen Testballon, wie man noch mehr Einnahmen generieren kann, indem man Verlagen Werbefächen anbietet (oder die eigenen Titel noch mehr bewerben kann).

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